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Refugium für Königskinder

Auf der Roseninsel tauschten Ludwig II. und Elisabeth geheime Botschaften aus

Im letzten Abschnitt der Würmeiszeit vor etwa 18 000 bis 13 000 Jahren schmelzen die Gletscher ab und hinterlassen im See einen Moränenrücken - die Roseninsel. Vermutlich weil es ein sicheres Refugium war, finden die Archäologen hier erste menschliche Spuren: Reste von Pfahlbauten, 6000 Jahre alte Keramikscherben, einen Einbaum, dessen Stamm um 900 vor Christus geschlagen wurde, eine Kultstätte und einen Friedhof. Wie aber das Fragment eines blauen Balsamariums aus Glas, das im 6. Jahrhundert v. Chr. im östlichen Mittlermeerraum gefertigt wurde, auf die oberbayerische Insel gelangte, ist den Experten bis heute ein Rätsel.

Im Spätmittelalter bietet eine kleine Burg Schutz, 1401 wird erstmals eine Inselkirche erwähnt. Sie wird 1632 im Drei-ßigjährigen Krieg zerstört, ihre Reste 1851 abgetragen. Heute existiert noch ihre Westfassade als Teil des Gärtnerhauses, das 1853 entstand. Es steht auch teilweise auf den Fundamenten der alten Kirche. Damals führten auch zwei Brücken auf die Insel. Hofmarksherr Jakob Rosenbusch errichtet ein Herrenhaus, das später die Hoffischerfamilie Kugelmüller bewohnt. "Die größte Schönheit dieser Insel besteht darin", schreibt 1784 Lorenz von Westenrieder, der frühe Chronist des Starnberger Sees, "dass die Kunst noch nichts gethan hat, sie zu verschönern."

Die Kugelmüllers wissen die Reize zu nutzen und eröffnen in ihrem Fischerhaus eine Gastwirtschaft samt Biergarten, Kegelbahn und großer Schaukel für die Damen. Fortan ist die Roseninsel, die bis 1850 den Namen "der Wörth" führte, beliebtes Ausflugsziel Münchner Künstler und Studenten.

1850 erfüllt König Maximilian II. sich und seiner Gattin Maria den Traum von einem ruhigen Sommerrefugium. Er kauft der Fischerfamilie das Eiland für 3000 Gulden ab und lässt dort nach dem Vorbild von Potsdam und seiner Umgebung eine kleine Villa im pompeijanischen Stil errichten und einen Park anlegen. Darin im Mittelpunkt ein ovales Rosarium aus Hunderten hochstämmiger Duftrosen und eine fünf Meter hohe weißblaue Glassäule.

Ihre Blütezeit erfährt die Insel in den ersten Regierungsjahren Ludwigs II., der sie 1865 für 25 000 Gulden aus dem Familienbesitz der Wittelsbacher erwirbt und fortan als sein ganz persönliches Refugium nutzt. Ihre Abgeschiedenheit entspricht dem Hang des publikums-scheuen Monarchen zur Einsamkeit. Dort tauscht er Botschaften mit Elisabeth aus, die während ihres Sommer-Aufenthalts in Feldafing ebenfalls die Intimität der Insel zu schätzen lernt. Unter den uralten Baumriesen, von denen einige noch heute stehen, sind beide schon gewandelt. Von Schloss Berg aus ist die Insel mit dem Raddampfer "Tristan" bequem zu erreichen. Am 26. September 1868 bilden sie die Kulisse für ein märchenhaftes Seefest, das Ludwig II. zu Ehren seines Gastes, der von ihm verehrten Zarin Maria Alexandrowna, gibt. Dazu heißt es in einer Broschüre der Schlösser- und Seenverwaltung: "König Ludwig II. lud den hohen Gast zu einer Rundfahrt auf dem See ein, verbunden mit einem Besuch in Possenhofen. Das Diner mit der Sere-nade war auf der Roseninsel vorbereitet, inmitten der Pracht und dem Duft von Tausenden blühenden Rosen. Bei Einbruch der Dunkelheit begann die Beleuchtung von Schlössern und Landhäusern am See. Possenhofen war prächtig illuminiert, Schloss Starnberg leuchtete, von einem Flammengürtel umgeben, und Schloss Berg erstrahlte bengalisch in bunter Schönheit wie im Feenmärchen. Hunderte von beleuchteten Booten mit glühenden Ballons in allen Farben kreuzten auf dem See. Auf der Roseninsel flammte plötzlich elektrisches Licht auf, die Flut schimmerte wie flüssiges Silber, eine breite Lichtbahn wies den Weg zurück nach Berg, wo alsbald das leuchtende königliche Dampfschiff ,Tristan' anlegte, begleitet vom großen Dampfer ,Maximilian' mit der Regimentsmusik." Anschließend schreiten die Majestäten durch den bengalisch beleuchteten Park zum illuminierten Schloss. Den Abschluss bildet ein von Flössen gezündetes Brillantfeuerwerk mit dem monumentalen Namenszug der Zarin zu den Klängen der russischen Kaiserhymne. Bis zu Ludwigs Tod 1886 werden Park und Casino mit beträchtlichem Aufwand gepflegt. Dann endet die erste Blütezeit der Insel, sie versinkt, bedingt auch durch die beiden Weltkriege, in einen Dornröschenschlaf.

2aufRoseninsel 1970 kauft der Freistaat die Insel vom Wittelsbacher Ausgleichsfond. Die königliche Villa ist marode, der Park verwildert, von den Rosen keine Spur mehr zu sehen.1997 wird das Eiland an die Ringkanalisati-on angeschlossen. Denn es ist bewohnt. Seit 1967 lebt im Gärtnerhaus der "Insel Willi" und sieht als Verwalter nach dem Rechten. Der Willi stammt aus Schlesien, ist gelernter Metzger und freut sich bis ins hohe Alter, wenn ein Partner zum Schachspielen vom Festland herüber kommt. "Willi Friebe, Roseninsel", lautet seine exklusive Adresse. Im November 1997 stirbt das Feldafinger Original im Alter von 95 Jahren. Ein Leben a la Robinson ist das Dasein auf der Roseninsel allerdings schon damals nicht mehr. An heißen Sommertagen rennen die Besatzungen der Jachten, die vor der Insel dümpeln, in Badeanzug und Plastikschwimmschuhen über den gepflegten Rasen. Dabei schätzte Ludwig deren Einsamkeit über alles. Nur Auserwählte durften sie betreten. Zum 150-jährigen Bestehen des Casinos im Jahr 2003 ist die Renovierung weitgehend abgeschlossen. 2007 wird mit Hilfe des Förderkreises Roseninsel der Kiosk im Süden wieder aufgebaut. Mittlerweile setzen an schönen Tagen Hunderte über und seit man im Casino auch noch heiraten kann, gilt um so mehr: Wer reif ist für die Insel, der sollte unter der Woche kommen. Das Eiland umrankt auch eine Sage. In wilden stürmischen Nächten soll zuweilen ein schwarz gekleideter Reiter ohne Kopf auf einem Schimmel über das Wasser in Richtung der Insel galoppieren. Woher er kommt, wohin er geht, ist nicht bekannt.

Eine kuriose Episode in der wechselvollen Geschichte des Eilands soll nicht unerwähnt bleiben. Vor mehr als 30 Jahren drehte der italienische Regisseur Luchino Visconti (1906 – 1976) hier den Film Ludwig II. mit Romy Schneider und Helmut Berger. Weil Schloss Berg als Wittelsbacher Privatbesitz verschlossen bleibt, verlegt Visconti Lud-wigs letzte Stunden kurzerhand nach Possenhofen. Den Tod findet der König im flachen Wasser vor der Roseninsel. Etliche Szenen spielen im Casino. Ungeniert werden Nägel in das inzwischen streng geschützte Baudenkmal getrieben. Und nur die seeseitige Fassade von Schloss Possenhofen erhält einen frischen Anstrich – aus nicht wasserfester Farbe, wie sich beim nächsten Regen herausstellt. Viele Einheimische dürfen als Komparsen mitspielen. Die Königstreuen dagegen halten nichts von dem Treiben. Sie sehen die Würde des Monarchen gefährdet und drohen, Schloss Neuschwanstein zu besetzen und gar die Roseninsel in die Luft zu sprengen. Männer breit wie Schränke müssen daraufhin die Drehorte abschirmen.

 
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