Vorwort
Es ist bestimmt keine Übertreibung, wenn man den Chiemsee als das Urlaubsparadies schlechthin bezeichnet. Die Gletscher der Würm-Eiszeit haben eine Landschaft modelliert, die auf der Welt ihresgleichen sucht. Da ist ein stattlicher See, der zurecht den Beinamen »Bayerisches Meer« trägt, der je nach Stimmung seine Farbe und seinen Zustand verändert. Von stahlblau bis flaschengrün, vom zahmen Badegewässer bis zur aufgepeitschten See. Die Chiemgauer Berge, die hinter dem Südufer aufsteigen, schaffen ein Panorama von Erhabenheit und Dramatik. Die Alpenkette steht in starkem Kontrast zur sanften Hügellandschaft des nördlichen Teils am Ausfluss der Alz. Verträumte Buchten und unberührte Moorlandschaften runden das Gesamtbild ab. Kein Wunder, dass vor allem der Chiemsee die Maler magisch anzog, als sie im vorletzten Jahrhundert ihre Ateliers verließen und ausschwärmten, um die Natur zu entdecken. »Das Zusammenspiel von landschaftlicher Schönheit und dem oftmals raschen Wandel von Himmel, Wolken und Licht hat die Maler mehr als in anderen Gegenden Bayerns angezogen und fasziniert«, heißt es in der Einführung zur »Galerie Maler am Chiemsee« der Bayerischen Schlösserverwaltung. Allerorten bildeten sich Malerkolonien, die bekanntesten wurden die auf der Fraueninsel, der Herreninsel und in Prien. Stellvertretend für viele bekannte Namen stellen wir in diesem Buch das Haus von Julius Exter in Feldwies vor. Nach den Landschaftsmalern kamen die Genre-Maler, die Fischer und Bauern porträtierten. Wie hart ihre Arbeit einst war und wie sich das Leben auf der Insel verändert hat, klingt in den Erzählungen alter Fraueninsulaner wie Holmer Lex, Fritz Stephan und der Benediktinerin Mag-dalena Schütz an. Den Malern folgten die ersten Touristen, angelockt von deren Gemälden.
Ein Porträt der Chiemsee-Schifffahrt Ludwig Feßler schildert, wie sie auf die Inseln gelangten. Die Eröffnung der Bahnlinie München-Salzburg im Jahr 1860 kam dem Tourismus zugute. Der schwoll richtig an, als 1886 kurz nach dem mysteriösen Tod König Ludwigs II. sein »Versailles«, das Schloss Herrenchiemsee, zur Besichtigung freigegeben wurde. Schloss-Kastellan Werner Koch führt den Leser durch die Traumwelt des Monarchen. Darüber hinaus berichtet dieser nicht alltägliche Radlführer über Menschen, die heute am Chiemsee leben und arbeiten, oder deren Lebenswerk bis heute nachwirkt. Als Beispiel sei Carl Ostermayer genannt, der Scherben-Kare, der die römische Vergangenheit Seebrucks buchstäblich ausgegraben hat. Sten Nadolny, den Schriftsteller aus Chieming, inspirierte der See vor seiner Haustür zu dem Welt-Bestseller »Die Entdeckung der Langsamkeit«. Franz Burghardt und Claus-Dieter Hotz stehen für jene Seebewohner, die uneigennützig die Geschichte der Region in Wort und Bild, oder aber respektablen Industriedenkmälern lebendig halten. Wo die Gäste seiner Pension herkommen und welcher Bootstyp typisch für den Chiemsee ist, berichtet Bootsbauer Jakob Grünäugl. Wie sich Fremdenverkehr und Naturschutz in Einklang bringen lassen und wo es Probleme gibt, zeigt der Biologe Michael Lohmann auf.
Der Chiemsee ist auch deshalb ein Urlaubsparadies, weil flache Uferwege und sanfte Hügel ideal sind für Radlfahrer, rund um den See Wassersportler und Badenixen auf ihre Kosten kommen, Reiter in Ising gut aufgehoben sind, kulturell Interessierten die Türen vieler sehenswerter Kirchen und das ehemalige Kloster Seeon offen stehen, und, nicht zu vergessen, die Freunde einer soliden, bodenständigen Küche auf ihre Kosten kommen. Wer gar keine Lust zum Radeln hat, der kann bei entsprechendem Portemonnaie den See in einem Oldtimer der Firma Mirbach aus Bernau umrunden. Wanderern bieten sich die Filzen und Moose an. Ein beson-deres Schmankerl ist schließlich die Eggstätter Seenplatte, die den Vergleich mit ihrem Mecklenburgischen Pendant oder der Holstein'schen Schweiz nicht zu scheuen braucht.
Allen Gesprächspartnern in diesem Buch sei für ihre Mitwirkung gedankt. Danke sagen möchte ich auch dem ehemaligen SZ-Korrespondenten Ludwig Fisch, den Heimatpflegern, den stets hilfsbereiten Damen und Herren in den Touristinformationen und dem Abwasser- und Umwelt-verband Chiemsee sowie Ruth und Günter Müller. Geduld und Zeit mussten Claudia Bennich/Seebruck und Christine Setzwein/Steinebach am Wörthsee beim Durchsehen der Texte aufbringen. Dafür vielen Dank.
Manfred Hummel Wimpasing, im April 2010
Unter der Woche hat man am »Bayerischen Meer« seine Ruhe und kann ungestört den Reiz der abwechslungsreichen Landschaft genießen. Warum also in die Ferne schweifen …