Sommerresidenz des Jugendstils
Selten kann sich der Besucher so gut in die Welt von Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts versetzen wie in der Villa Gasteiger in Holzhausen südlich von Utting. Dem Hauptanliegen des damals modernen Jugendstils, das Leben durch die Kunst neu zu gestalten, haben Mathias und Anna Gasteiger mit dem Bau ihres Sommersitzes in idealer Weise entsprochen. Sie begründeten die »Künstlerkolonie Holzhausen«. Das Landhaus, kurz nach 1900 errichtet, steht in einem romantischen Landschaftspark mit Brücke, Weihern und Wildrosenhecken. Der Blick schweift in einer bewusst gewählten Achse über ein Brunnenbecken und eine mehrere hundert Jahre alte Eiche auf den Ammersee und hinü-ber zum Kloster Andechs. Allein ein ausgedehnter Spaziergang ist schon ein Genuss. Die Wiesen sind sehr artenreich, sie werden nur zweimal im Jahr gemäht und nicht gedüngt.
Die parkartigen Gärten am Ammersee mit ihren Solitärbäumen gehen bis auf die mittelalterliche Landbewirtschaftung zurück. Das Vieh wurde in die Wälder getrieben und fraß Eicheln und Bucheckern. Das gab nicht nur dem Fleisch eine besondere Würze, durch den Verbiss wurde auch das Unterholz gelichtet. Übrig blieben die freistehenden Baum-riesen. Irene Faber-Gasteiger, der Tochter des Künstlerehe-paares Gasteiger, ist es zu verdanken, dass das Kleinod 1984 an den Freistaat fiel, der zehn Jahre später Haus und Park der Allgemeinheit öffnete. In Holzhausen gedieh der Münchner Jugendstil. Wer kennt nicht das »Brunnenbuberl« am Karlstor in München, es stammt von Gasteiger. Seine Frau entwarf in jungen Jahren zunächst Stoffe, Tapeten und Fliesen im Jugendstil und widmete sich später ganz der Blumen- und Landschaftsma-lerei. In den weitgehend erhaltenen und sorgsam renovierten Räumen kann der Besucher eine Zeitreise zurück in ei-nen großzügigen ländlichen Haushalt um die Jahrhundert-wende unternehmen. Im Mittelpunkt stand ein ungezwungenes Künstlerleben. Die Gasteigers scharten eine illustre Schar von Malern und Schriftstellern um sich, die zum Teil ebenfalls am Westufer wohnten. Mitarbeiter der Zeitschrif-ten »Jugend« und »Simplicissimus« wie Eduard Thöny und Th.Th. Heine waren darunter, auch Maler der Künstlerver-einigung »Die Scholle« wie Fritz Erler, Walter Georgi und Adolf Münzer.
Sie alle waren zu Beginn des Jahrhunderts maßgeblich an der Erneuerung der Münchner Malerei be-teiligt und sollten der Kunst des »Blauen Reiters« den Weg bereiten. Ihre Werke prägten Malerei, Wohnkultur, Deko-ration und Raumausstattung in Deutschland. Gemeinsame monatelange Studien auf dem Lande bereiteten den Boden für die Natureindringlichkeit der jungen Künstler. Auf dem kleinen Dorffriedhof liegen sie alle miteinander begraben. In den Räumen der Villa sind historische Fotos und Werke der Gasteigers ausgestellt. An einigen Karikaturen ist das nationale Element der Künstler der Weltkriegszeit abzule-sen, von denen einige später im Auftrag der Heeresleitung auch Schlachtengemälde malten.
Aber zwei Jahrzehnte vorher, zu Zeiten der Bohème, hatte man noch ganz andere Sorgen: »Die Münchner haben da-mals geschimpft, weil das Brunnenbuberl nackert ist«, er-zählt Helga Schraidt, die mit den Gasteigers verwandt ist und im Sommer durch das Haus führt. Der Prinzregent soll zumindest ein Feigenblatt verlangt haben, jedoch ohne Erfolg. Vermutlich habe Gasteiger deshalb, man schrieb das Jahr 1891, keinen Professorentitel bekommen. Sein Geld hat der Hausherr mit der Gestaltung großer Brunnen ge-macht. Davon kaufte er ein Schloss bei Dachau, in dem er eine Mal- und Bildhauerschule einrichtete. Eines Tages kam dorthin auch eine gewisse Anna Sofie Meier, um das Malen zu erlernen, erzählt Helga Schraidt. Es funkte, Lehrer und Schülerin heirateten. Wen das inspirieren sollte, der kann im Jugendstil-Ambiente der Gasteiger-Villa den Bund fürs Leben schließen, nach Voranmeldung im Standesamt Utting.